Gruppen und ihre Regeln

Menschen sind stets Teil einer Gruppe. Wir werden in eine Familie hinein geboren, müssen uns am Spielplatz, im Kindergarten, der Schule, der Arbeitswelt und dem Freundeskreis behaupten. Doch wie findet man seinen Platz innerhalb der Gruppe?

Bildquelle: pixabay.com/mandy11059

Bildquelle: pixabay.com/mandy11059

Wenn sich eine Gruppe findet, sei es von sich aus, oder weil es von außen so bestimmt wurde, durchläuft sie verschiedene Phasen. Schauen wir uns das genauer an am Beispiel einer Gruppe lose miteinander verbundener Erwachsener, die gemeinsam ein Ferienhaus mieten, weil sie das für komfortabler halten als ein Hotel.

1. Phase: Forming

In den ersten Tage nach der Anreise lernt sich die Gruppe kennen und testet Verhaltensweisen aus. Freundlichkeit und Zurückhaltung sind hier angesagt. Schon jetzt kristallisiert sich heraus, wer einen Führungsanspruch erhebt. Wer also den Tagesablauf vorgibt, Ausflüge plant, bestimmt in welchen Restaurants gegessen wird. Man nennt den Gruppenleiter auch „Alpha“. Alphas erkennt man sofort, denn sie drängen in den Vordergrund und werden in der Regel auch als Leader akzeptiert. Sie sind entweder die qualifiziertesten, allzu oft aber einfach die lautesten oder durchsetzungsstärksten Gruppenmitglieder. Meistens sind die Mitreisenden in dieser Phase froh, wenn einer die Initiative ergreift, und sie in Ruhe „ankommen“ können, ohne gleich neue Pflichten übernehmen zu müssen. Sie sind die „Gammas“, die große Masse, die abfällig auch als „Arbeiter“ bezeichnet wird. Sie erheben keinen Führungsanspruch und sind einfach glücklich, teil der Gruppe zu sein. Ihr Zufriedenheitsgefühl beziehen sie aus der Gruppe, und sie tun viel, um den Zusammenhalt zu stärken.

2. Phase: Storming

Der Übergang in diese Phase dauert unterschiedlich lange. Nun regt sich erster Widerstand gegen die Vorgaben des Alphas. Eigene Interessen stehen den Gruppeninteressen entgegen, oder es zeigt sich, dass die Gruppe per se zu heterogen ist. Während die einen entspannen und lesen möchten, wollen die anderen aktiv sein. Beides lässt sich schwer miteinander vereinbaren, und Kompromisse müssen her. Konflikte können entstehen, vor allem auch, wenn Gruppenmitglieder Grenzen von Intimität und individuellen Werten überschreiten. Wenn vor lauter Gruppenaktivitäten keine Zeit für einen persönlichen Rückzug bleibt, kann das schnell zu viel werden.

Ob eine Gruppe funktioniert oder nicht, zeigt sich nun. Defizite werden sichtbar, und das führt häufig zum Auftreten von „Omega“, der eine Gegenposition von Alpha einnimmt. Er interpretiert die Gruppenziele anders, oder hält andere Wege für zielführender, und stellt dadurch mehr oder weniger verdeckt die Führungsqualität von Alpha in Frage. Das alarmiert nicht nur diesen, sondern auch die Gammas, die ihren Alpha ja brauchen. Um die Stabilität der Gruppe nicht zu gefährden, stellt sich die Gruppe oft gegen den „Angreifer“ Omega, schließt ihn damit aus ihrer Gemeinschaft aus und drängt ihn in eine machtlose, undankbare aber sinnvolle Rolle des Sündenbocks, wo er dann für alles verantwortlich ist, was in der Gruppe schief läuft. An ihm lässt man Dampf ab und lenkt von eigenen Fehlern ab. Das sichert den Gammas weiterhin ihre Zugehörigkeit zur Gruppe, während der Omega draußen steht. Wenn es regnet, ist er schuld, dass der Ausflug ins Wasser fällt, weil er den Wetterbericht nicht gelesen hat. Wenn das Klopapier ausgeht, hat er garantiert die letzte Rolle verwendet. Ein Omega hat kaum eine Chance, wieder in die Gruppe integriert zu werden, weil die Gruppe ja einen Sündenböck braucht, und kein anderer diese Position einnehmen möchte. Warum es gerade ihn trifft? Entweder weil er ein zu schwaches Selbstbewusstsein hat, oder aber ein zu starkes und damit gefährlich für Alpha ist. Auf jeden Fall kann er sich nicht durchsetzen, da die Gruppe nicht hinter ihm steht. Das klügste wäre, die Gruppe zu verlassen, woraufhin ein neuer Omega nachrücken würde. Ist das aber nicht möglich, heißt es durchhalten. „Lächeln ist die eleganteste Art, seinen Feinden die Zähne zu zeigen“ meinte dazu Werner Finck.

3. Phase: Norming

Hat die Gruppe die Stürme überstanden, geht jetzt alles easy. So sind Gruppenregeln ausverhandelt worden, verbal und nonverbal, die alle mittragen können. Das Wir-Gefühl ist nun besonders stark. Frühstück ist jetzt vielleicht etwas später, damit die Langschläfer nicht grantig in den Tag starten, dafür sind die Abläufe besser organisiert, sodass sowohl Zeit für Ausflüge als auch Siesta bleibt.

4. Phase: Performing

Die Gruppe funktioniert, jedem sind jetzt seine Rolle in und seine Aufgaben für die Gruppe klar. Es gibt diejenigen, die einkaufen, während die anderen den Tisch decken und die dritten abwaschen. Jeder tut, was er am besten kann und leistet so seinen Beitrag für die Gruppe. Das schafft ein Klima der Harmonie, wo die Freude, dieser Gruppe anzugehören, im Vordergrund steht. Der Spaß am Urlaub kann beginnen. Besonders gut erkennbar sind die „Betas“ der Gruppe. Betas sind Spezialisten, die in zumindest einer Sache besser sind als die anderen, auch als Alpha, und deshalb für die Gruppe besonders wertvoll. Wer einen guten Orientierungssinn hat, auch wenn das Navi versagt, oder die Sprache der Einheimischen spricht, ist für die Gruppe wichtig und hat deshalb auch gewisse Freiheiten und Ansehen. Beta steht in der Rangordnung Alpha sehr nahe und könnte ihm sogar seine Position streitig machen, wenn Alpha nicht überzeugt.

5. Phase: Auflösung

Gerade wenn es so richtig gut läuft, rückt der Abschied näher. Am letzten gemeinsamen Abend lässt man den Urlaub noch einmal Revue passieren, bestätigt sich gegenseitig, wie toll man das als Gruppe hingekriegt hat und geht in Harmonie wieder getrennter Wege.